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«In Worte fassen, was man erlebt oder fühlt, ist manchmal schwer»

Die positiven Auswirkungen von Kunst auf das Gehirn sind gut dokumentiert. Der kreative Prozess wird aber oft durch die Angst vor einem enttäuschenden Endergebnis gebremst. Wie kann Kunst als Instrument für ein besseres Wohlbefinden genutzt werden? Inwiefern kann die Kunsttherapie helfen, sich selbst wieder aufzubauen? Die Kunsttherapeutin Florence Gaist erklärt uns diesen wenig bekannten Ansatz.

Die positiven Auswirkungen von Kunst auf das Gehirn sind gut dokumentiert. Der kreative Prozess wird aber oft durch die Angst vor einem enttäuschenden Endergebnis gebremst. Wie…

Bild Florence Gaist

Was ist Kunsttherapie?

Bei der Kunsttherapie geht es darum, begleitet von einer Fachperson und zu therapeutischen Zwecken den Selbstausdruck zu fördern. Bei dieser Therapie werden nonverbale Mittel benutzt, um sich auszudrücken, denn in Worte fassen, was man erlebt oder fühlt, ist manchmal schwer. Das Besondere an der Kunsttherapie ist der Einsatz verschiedener künstlerischer Mittel: plastische und bildende Kunst, Tanz, Theater oder auch Musik. Das, was in der Person vorgeht, soll in einem kreativen Prozess zum Ausdruck gebracht werden. Ich ermuntere die Leute oft, ihre Gefühle ohne Worte darzustellen.

Muss man für diese Art von Therapie künstlerische Vorkenntnisse haben?

Überhaupt nicht! Der Begriff «Kunst» macht einigen Personen Angst. Sie denken, dass man die technischen Grundlagen beherrschen muss – dass man beispielsweise «wissen» muss, wie man zeichnet. Das ist überhaupt nicht der Fall. Ich nenne dies lieber «Therapie durch Kreation», das ist weniger beängstigend. Das Ergebnis und die Ästhetik sind unwichtig. Die Kunsttherapie ist für alle zugänglich. Die sichtbaren und unsichtbaren Ergebnisse spielen keine Rolle: Hier bietet sich die Chance, aus der eigenen Komfortzone auszubrechen und neue Möglichkeiten zu erkunden.

Wie läuft eine Therapiesitzung ab?

Nach der Begrüssung folgt der kreative Teil und schliesslich eine Diskussion rund um das geschaffene Werk. Ich schlage den Menschen, die zu mir kommen, meist ein Ausdrucksmittel vor, weil der Umgang mit neuen Materialien manchmal etwas einschüchternd sein kann. Oft beginnen wir mit Dingen, die keinen Wert haben, beispielsweise mit Recycling-Materialien. So haben die Teilnehmenden weniger Angst zu experimentieren. Über das Werk kann dann ein Gespräch in Gang kommen. Bestimmte Gesten oder auch Texturen lösen bei den Menschen während der Sitzung Emotionen aus.

Sie leiten Gruppen-Workshops für FRAGILE Suisse. Worin unterscheiden sich diese von einer klassischen Kunsttherapie-Sitzung?

Eine Sitzung wird zu therapeutischen Zwecken durchgeführt. In den Gruppen-Workshops geht es hingegen eher darum, die eigene Kreativität und verschiedene Ausdrucksmittel zu entdecken. Dabei wird kein fachliches Wissen vermittelt. Das muss unbedingt betont werden, weil dieser Punkt oft Stress auslöst. Menschen mit Hirnverletzung haben manchmal das Gefühl, sie müssten sich etwas wieder aneignen, was verloren gegangen ist. In den Workshops stärke ich das, was bereits da ist: ihre Fähigkeit, zu erforschen, neugierig zu sein, zu entdecken und vor allem Vertrauen in das Neue zu gewinnen. Das Ziel ist nicht, etwas wiederzuerlangen, sondern das schon Vorhandene auszubauen und zu stärken. Hier werden Ressourcen entwickelt. Es ist befreiend, auf die eigenen Erfahrungen zu vertrauen, besonders nach einer Hirnverletzung.

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