Arthur Gonser ist im Sommer 2020 schwer erreichbar. Der 68-jährige Ausliker und seine Frau haben alle Hände voll zu tun auf ihrem Kräuterhof «Sunnegrund». Wortwörtlich: Anbau, Ernte und Verarbeitung der Kräuter sind Handarbeit, die Gonsers machen alles selbst. Hauptabnehmerin der getrockneten Kräuter ist Detailhändlerin Coop, bei der die Kräuter unter dem Label «Miini Region» im Sortiment geführt werden.
Doch Gonser war nicht immer Kräuterbauer. Früher arbeitete er als Neuropsychologe, zunächst am Universitätsspital Zürich (USZ), dann am Inselspital Bern, später als leitender Neuropsychologe an der Rehabilitationsklinik Zihlschlacht und zuletzt mit eigener Praxis in Zürich. Und Gonser war es auch, der 1989 die Idee hatte, FRAGILE Suisse zu gründen.
Damals erlitten immer mehr Personen eine Hirnverletzung – hauptsächlich durch Unfälle im motorisierten Verkehr. Das fiel auch Gonser auf. «In der Öffentlichkeit gab es aber noch kein Bewusstsein für die unsichtbaren Folgen und deren Auswirkungen im Leben der Betroffenen und Angehörigen. Sie fühlten sich deshalb von ihrem Umfeld missverstanden», erinnert er sich.
Es entstanden daher erste Gruppierungen, die sich für Menschen mit Hirnverletzung einsetzten. Gonser und die Ergotherapeutin Rosa Astrid Frei (✝ 2015), die er am USZ kennenlernte, beschlossen, diese verschiedenen Initiativen gesamtschweizerisch zu bündeln. «Wir waren überzeugt, dass wir gemeinsam stark sein können. Wir wollten so die Öffentlichkeit und die Politik sensibilisieren und den Betroffenen eine Lobby geben.»
Zu den verschiedenen Gruppierungen, die Gonser und Frei kontaktierten, gehörten Mitglieder der damaligen Zürcher Selbsthilfegruppe «Angehörige und Freunde hirnverletzter Menschen», die Neuropsychologin Erika Schwob, die 1987 die regionale Vereinigung «Psychosoziale Hilfe für hirnverletzte Menschen» gegründet hatte, Erika Liniger, die damalige Zentralsekretärin der Pro Infirmis und Dr. Christoph Heinz, der damalige Chefarzt der SUVA-Klinik Bellikon.
Die Idee, die Kräfte zu bündeln, stiess unter ihnen auf Interesse: Und so taten sich schliesslich über 40 Fachpersonen, Betroffene und Angehörige zusammen, um den neuen «Schweizerischen Verein für hirnverletzte Menschen» (SVHM; heute: FRAGILE Suisse) zu gründen.
Nach einer monatelangen Vorbereitungsphase mit zahlreichen Arbeitstreffen der 14-köpfigen Kerngruppe folgte am 23. Juni 1990 die Gründungsversammlung am Inselspital Bern, an der 112 Personen teilnahmen. «Es herrschte grosse Aufbruchsstimmung», erinnert sich Gonser.
Rückblickend ist Gonser überzeugt, dass FRAGILE Suisse wie angestrebt zu einer vernetzen und wichtigen Akteurin und Partnerin im Gesundheitswesen wurde: «FRAGILE Suisse hat das öffentliche Verständnis für das Thema Hirnverletzungen nachhaltig gefördert.» Der Weg sei aber noch nicht zu Ende, gibt er zu bedenken.
Gonser war bis 2001 im Vorstand und bis 2013 als Fachneuropsychologe tätig. Dann schloss er seine Praxis und widmete sich auf seinem ehemaligen Bauernhof fortan den Kräutern. «Ich hatte als Erstausbildung das landwirtschaftliche Lehrjahr absolviert und war immer sehr naturverbunden», erklärt er diesen Schritt. «Irgendwann reichte mir der grosse Garten dann nicht mehr. Ich geniesse die landwirtschaftliche Arbeit sehr.»
Text: Annette Ryser