Was ist der Tag der Menschen mit Behinderung?
Der Tag der Menschen mit Behinderung wurde 1992 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Die Vereinigten Nationen wollten und wollen damit ihre Mitgliedstaaten und ihre Behindertenorganisationen dazu aufrufen, sich stärker für Menschen mit Behinderung einzusetzen und ihre Rechte und Lebenssituationen zu verbessern.
Was ist denn eine Behinderung überhaupt?
Verschiedene Instanzen kennen eine unterschiedliche Definition von Behinderung.
Das Schweizer Bundesgesetz definiert Behinderung als eine «voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung». Diese Beeinträchtigungen erschweren oder verunmöglichen es:
- alltägliche Tätigkeiten auszuführen
- soziale Kontakte zu pflegen
- sich fortzubewegen
- eine Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren
- einer Arbeit nachzugehen.
Die Vereinten Nationen beschreiben Behinderungen als «körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen», die die Person «in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.
Beide Definitionen gehen also von längerfristigen Beeinträchtigungen aus, die das tägliche Leben und das Mitwirken in der Gesellschaft erschweren oder ganz unmöglich machen.
Wie viele Menschen mit Behinderung leben in der Schweiz?
Das Bundesamt für Statistik schätzt, dass momentan etwas mehr als 1,5 Millionen Menschen mit Behinderung in der Schweiz leben. Das sind also etwa ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung!
Haben sie dieselben Rechte wie Menschen ohne Behinderung auch?
Nein, nicht in allen Bereichen. Und teilweise auch nur mit gewissen Einschränkungen.
Zwar ist in der Schweiz seit 2004 das «Behindertengleichstellungsgesetz» in Kraft, doch ist dies nicht völlig allumfassend. Beispielsweise sind seither alle Wohnungsgebäude mit acht oder mehr Wohneinheiten dem Gesetz unterstellt, aber sollten Sie in ein neu gebautes Mehrfamilienhaus mit vier Wohnungen einziehen, muss dies nicht barrierefrei gestaltet sein.
Oder vielleicht haben Sie gehört, dass der Kanton Genf am 29. November 2020 als erster Kanton dafür gestimmt hat, dass alle Menschen mit Behinderung ebenfalls abstimmen und wählen können. Bisher waren Menschen unter umfassender Beistandschaft vom allgemeinen Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen. In den restlichen Kantonen ist dies nach wie vor der Fall.
Auch die Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr ist ein Thema, das immer wieder in die Medien kommt, beispielsweise mit den neuen Zügen der SBB. Inclusion Handicap hatte im Januar 2018 Beschwerde eingelegt gegen die neuen Dosto-Züge. Gemäss der Organisation verstiessen die Züge in 15 Punkten gegen das Behindertengleichstellungsgesetz.
Dazu kommen viele weitere, oft auch «alltägliche» Dinge, die es Menschen mit Behinderung erschweren oder verunmöglichen, unabhängig und gleichberechtigt zu leben. Einige Beispiele:
- Die nicht durchsichtigen Masken, die Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung das Lippenlesen verunmöglichen
- Der Lift, der im Falle eines Brandes nicht betätigt werden darf, auf den Menschen mit Rollstuhl oder anderen motorischen Einschränkungen aber angewiesen sind
- Das Video einer Person oder eines Unternehmens, das keine Untertitel hat und von Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung nicht verstanden werden kann
Fazit: Der Tag der Menschen mit Behinderung ist auch fast 30 Jahre nach seiner «Geburt» noch wichtig. Menschen mit Behinderung können ihre Leben nicht im selben Umfang und mit derselben Freiheit und Selbstbestimmung leben wie Menschen ohne Behinderung. Sie sind nicht nur durch ihre Behinderung eingeschränkt, sondern auch durch die Gesellschaft und Politik.