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Numä nid lugg la

Erfahrungsbericht von Martin B.

Erfahrungsbericht von Martin B.

1. August 2007

Nachts um 02:00 Uhr wurde ich als beruflich und sportlich erfolgreicher, 54 jähriger Mann abrupt vom Leben ausgebremst.

Hirnschlag, linke Körperhälfte gelähmt.

Ungefähr die ersten zwei Wochen habe ich alles verdrängt und gedacht, all die Ärzte haben sich geirrt und ich könne am nächsten Tag wieder nach Hause und mein Leben wie gewohnt fortsetzen.

Doch nein, es sollte nicht so sein.

Ich hatte die Chance eine Reha im Anna-Seiler-Haus in Bern anzutreten.

Zu allererst musste ich lernen zu akzeptieren, dass es doch so ist, dass ich nicht mehr laufen, schlucken und meinen linken Arm und Hände bewegen kann.

Das war für mich sehr schwierig, denn bis dahin hatte ich alle Hürden in meinem Leben mit wenig Aufwand gemeistert. Ich sah am Anfang meiner Reha nur all das, was ich nicht mehr konnte und dachte an all die vielen Kunden, die auf mich warteten. Denn ich habe in den 20 Jahren vor dem Vorfall eine Haarschneidetechnik entwickelt, die sehr gefragt war (siehe mein Buch: mein Haar mein echtes ich/ Haare lesen und verstehen). Doch eben, ohne linke Hand war das unmöglich.

Auch das Marathon laufen und Rennradfahren war unmöglich.

Je mehr ich trainierte und übte, desto weniger ging es vorwärts und mein ganzer Körper sowie auch meine Gedanken verkrampften sich.

Dank der perfekten und kompetenten Unterstützung von meinen Physiotherapeuten, die mich jeden Tag wieder und wieder an meine Grenzen brachten aber mit sehr viel Einfühlungsvermögen, nie über meine Grenzen hinaus forderten, gelang es mir nach einem Monat wieder selbstständig einen Schritt zu gehen. Jedoch mit Unterstützung eines mit Wasserflaschen beladenen Einkaufwagens (Migros).

Das erste Licht am Ende des Tunnels.

Meine ersten Gedanken waren: Wenn ich so weitermache, kann ich wenigstens wieder Einkaufen gehen.

In einer der vielen schlaflosen Nächte, in denen man die Glockenschläge der nahen Martinskirche zählt, hatte ich die Eingebung, ich könnte ja mal zusammenzählen, was bei mir noch funktioniert und war überrascht, dass da noch recht viele Fähigkeiten waren. Ich konnte noch sprechen, hatte nichts vergessen, und mein Wille erstarkte wieder (einige meinten mein harter Bernerschädel sei wieder zurück).

Ich überlegte: Was kann ich aus dem Gebliebenen Neues kreieren?

Berufsleben

Mir wurde klar, ich habe das Privileg mit Hilfe meiner Familie mein Leben neu zu gestalten.

Ich bin überzeugt, der Hirnschlag war nicht vergebens.

Es galt meine Berufung zu leben, denn das " Schicksal" hat mir alles gelassen um mir eine neue Existenz aufzubauen (und das entgegen allen Voraussagen der Neuropsychologen und IV Abklärern).

Wie besessen erarbeitete ich ein Seminar-Konzept zur Vermittlung meines Haarschneide- Systems.

Sport Velofahren

Unbedingt wollte ich auch wieder auf mein geliebtes Rennvelo zurück und damit wieder mit Tempo die Welt zurückerobern. Mir wurde in der Reha von einem Radprofi des Gerolsteiner Teams ein Renndress geschenkt. Das war fast wie eine Verpflichtung.

Nach neun Monaten Reha war dies eines der ersten Unternehmen. Renndress anziehen und ab aufs Rennvelo.

Die Ernüchterung kam dann postwendend. Total verschwitzt und fix und fertig, musste ich mir eingestehen: Das geht nicht.

Wie sollte ich mit der linken Hand bremsen, schalten und gleichzeitig noch das Gleichgewicht halten? Unmöglich.

Doch mein Kopf sagte mir, es muss einen Weg geben. Nur nicht lockerlassen!!!

Nach intensiven Recherchen im Internet fand ich meine Lösung in Forme eines Liege Dreirad Velos

Scorpion von HP Velotechnik. Nun brauchte ich nur noch einen innovativen Velomechaniker der mir die Bremsen und Schaltung auf meine rechte Seite des Steuergriffs montiert. Und wer suchet der findet.

Los geht's, zuerst kleine Runden dann immer länger und weiter. Bis meine Frau Monika und ich es schafften, von Basel nach Amsterdam zu fahren.

Danach organisierte ich zusammen mit einem Kollegen Fahrradtouren auf Korsika, meiner Lieblingsinsel.

Nach dem Motto: «Wenn es nicht zu Fuss nicht mehr machbar ist , dann halt per Velo.»

Heute mit 70 Jahren, habe ich meine damals gesteckten Ziele erreicht.

Am Schwarzsee im Freiburger Oberland entstand mit Hilfe von zwei Referentinnen und natürlich meiner Frau ein Seminar- Stützpunkt, sowie auch in Österreich und Dresden je einer endstanden ist.

Was mir gut tut ist, dass ich von jungen wissbegierigen, vor allem Fachfrauen, immer wieder aufs Neue gefordert werde. Das hält mich jung und flexibel.

Mut machen

Mit diesem Beitrag möchte ich allen Betroffenen Mut machen, ihre positiven Punkte zu suchen, wahrzunehmen (seien sie noch so "klein") und zu nutzen.

Nicht zurück zu schauen, sondern immer nur vorwärts. Auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt.

Ein Rückschlag, gibt Zeit nachzudenken, wie man es besser machen könnte.

Numä nid lugg la

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