Warum ist es für die Angehörigen so wichtig, eine Auszeit zu nehmen?
Auszeiten – und sind sie noch so klein – ermöglichen es uns, wieder in Kontakt zu sich selber zu treten. Den Fokus vom atemlosen «Für-den-Anderen-da-sein» auf den eigenen Atem zu lenken, kann sich wie eine erfrischende Gedankendusche anfühlen. Daraus kann eine gesunde Distanz entstehen, die der Erschöpfung entgegenwirkt und beide Personen gleichermassen im Blickfeld hat: den betroffenen Menschen und uns selber.
Wie merkt man, ob man sich eine Auszeit nehmen soll? Gibt es Anzeichen, auf die man achten sollte?
Auszeiten sind im alltäglichen normalen Leben genauso hilfreich wie in besonders herausfordernden Situationen. Wenn wir kleine «Auszeitchen» in unser Leben einbauen, stärkt uns diese Gewohnheit für turbulente Zeiten. Wenn wir merken, dass wir oft genervt reagieren, die negativen Gedanken sich häufen, die Schlafqualität nachlässt oder wir von guten Freunden gesagt erhalten, wir sollten uns selber nicht vergessen – dann sind dies Zeichen, die wir durchaus ernst nehmen dürfen. Und: Klein beginnen! Bereits tägliche kleine Auszeiten oder Rituale wirken.
Kannst du ein Beispiel nennen für eine Strategie, die man im Kurs lernt?
Es gibt sie nicht, diese eine und einzige Strategie, die für alle gleichermassen und erst noch subito Abhilfe schafft. Vielmehr schauen wir uns im Kurs die verschiedenen Bereiche an, die den Boden zu psychischer Gesundheit bilden. Wir werden uns mit gezielten Fragen auf Spaziergänge begeben, Erfahrungen reflektieren, Sichtweisen ausprobieren und achtsam zu übersetzen versuchen, was davon uns im Alltag hilfreich sein soll. Kurz und prägnant formuliert, spielerisch eingeprägt und mit Lust am Ausprobieren ist das Ziel, gestärkt und mutig in den Alltag zurückzukehren.
Bist du selber auch Angehörige und welche Erfahrung hast du mit Angehörigen?
Seien wir ehrlich. Wir alle sind Angehörige von Menschen, die uns herausfordern… Gerne beantworte ich die Frage deshalb aus dem beruflichen und dem persönlichen Kontext:
- In der langjährigen Wohnbegleitung für FRAGILE Suisse begegnete ich den Nöten und Herausforderungen der Angehörigen auf intensive Weise. Es war mir immer ein Herzensanliegen, auch den Angehörigen durch die Arbeit mit den Betroffenen etwas Erleichterung zu verschaffen.
- Bereits als Kind habe ich erlebt, was es heisst, Angehörige eines Menschen mit psychischer Erkrankung zu sein. Mit der Einsamkeit im Dilemma der Überforderung in der Rolle und den persönlichen (Wachstums-)Bedürfnissen habe ich mich entsprechend seit jeher auseinandergesetzt.
Braucht man Vorkenntnisse oder Erfahrungen? Wie kann man sich auf den Kurs vorbereiten?
Es sind keine Vorkenntnisse notwendig. Wer sich anmeldet, kommt mit dem eigenen ganzen Erfahrungsschatz. Das reicht. Vorbereitend werden den Angemeldeten einige Aspekte zugeschickt, die sie an ihrer Situation, ihrer Befindlichkeit und ihrem Verhalten etwas beobachten mögen.
Sonst noch etwas, was du zum Kurs sagen möchtest?
Wir werden thematische Spaziergänge machen. Also bitte wettergerechte Kleidung einpacken.
Leider musste der Kurs aufgrund zu weniger Anmeldungen abgesagt werden. Weitere Angebote speziell für Angehörige:
In unserem Kursprogramm gibt es auch viele Angebote für Betroffene und Angehörige – ein Blick hinein lohnt sich!