FRAGILE Suisse wird dieses Jahr 30 Jahre alt. Zum Anlass unseres Jubiläums wollen wir Personen ins Rampenlicht rücken, die für FRAGILE Suisse wichtig sind. Zum Beispiel Annette Kuhn. Die Schauspielerin und Theaterproduzentin inszenierte das Schauspiel «Papa geht ins Wallis» – ein Stück inspiriert aus persönlicher Erfahrung mit ihrem Vater nach dessen Hirnschlag.
Annette Kuhn, haben sie Humor, wenn Sie allein sind?
Ich habe letztens einmal mein Aufnahmegerät aus Versehen laufen lassen, als ich alleine zu Hause war. Danach habe ich es mir angehört: Ich hatte ständig mit mir geredet, mich selber ironisch kommentiert und über mich gelacht. Also ja!
Was sind Ihre Erfahrungen mit dem Thema Hirnverletzung?
Die erste Erfahrung war vor einigen Jahren der einschneidende Unfall eines Familienmitgliedes mit einer Hirnstammverletzung als Folge. In den drei letzten Jahren erlitt mein Vater mehrere Schlaganfälle.
In der Zeit begann ich zu lesen und mich zu informieren und führte viele Gespräche mit Betroffenen und Angehörigen.
Beim Umgang mit dem Thema Hirnverletzung lernt man sehr viel Neues. Was hat Sie dabei am meisten beeindruckt?
Die Direktheit, die manchmal ungefilterte und schonungslose Wortwahl in der Kommunikation oder die Art und Weise, wie auf Situationen reagiert wird, ist immer wieder überraschend und schubst mich aus meiner Komfortzone. Oft fühle ich mich gespiegelt, oft sogar entlarvt. Diese Momente sind lehrreicht, stark und bereichernd.
Auf welche Ihre Leistungen in diesem Umfeld sind Sie stolz?
Stolz nicht, aber froh, dass es so ist: Ich habe von Anfang an keine Berührungsängste mit diesem Thema gehabt und bekomme dadurch immer wieder Einblicke in andere Lebenswelten. Menschen erzählen mir ganz offen und vertrauensvoll ihre Geschichten.
Gibt es eine oder mehrere Personen oder Organisationen, denen Sie danken möchten?
Jede Person, welche privat oder beruflich meinem Vater respektvoll und liebevoll begegnet.
Gibt es etwas, das Sie FRAGILE Suisse auf den Weg geben möchten?
Ich kenne die Berührungsängste zu diesem Thema und weiss gleichzeitig, wie aktuell es ist. Zeigen Sie sich weiterhin mutig und "laut"!
Sie haben zu ihrer persönlichen Erfahrung mit einem Vater mit Hirnverletzung ein Schauspiel inszeniert. Was hat Sie dazu bewogen?
Ich bin Schauspielerin und Theaterautorin und konnte gar nicht anders, als die vielen Begebenheiten der letzten Jahre, die ich erlebt oder erzählt bekommen habe, aufzuschreiben. Entstanden ist eine humorvolle, skurrile und tiefsinnige szenische Erzählung aus sieben Fragmenten mit dem Titel "Papa geht ins Wallis".
Unsere letzte Vorstellung war im Januar 2020 in der Mediothek Hinwil. Im Moment gibt es leider keine definitiven neuen Daten. Das liegt einerseits an der angespannten Corona-Situation. Andererseits musste ich wie erwähnt die Ambivalenz feststellen, wie dringlich dieses Thema ist und wie gross gleichzeitig die Angst davor. Viele wollen uns nicht buchen, weil sie befürchten, das Publikum würde ausbleiben.
Dieses Abgrenzen ist für mich nicht nur als Autorin und Darstellerin, sondern auch als Tochter und Mensch etwas schmerzhaft. Ich darf aber auch ganz ehrlich sagen, noch nie hatte ich so intensive, schöne Theaterabende mit einem anschliessend berührten und frohen Publikum.
Man darf und soll uns also anfragen oder weiterempfehlen. Infos gibt es unter www.tellmi.info