Redaktion: Welche finanziellen Einbussen müssen betreuende Angehörige heute in Kauf nehmen?
Julia Eugster: Um beispielsweise den betroffenen Ehemann oder die Mutter zu betreuen, reduzieren Angehörige oft ihr Arbeitspensum. Die Betreuung reisst also ein Loch ins Portemonnaie und schmälert die persönliche Altersvorsorge, da weniger AHV- und BVG-Beiträge einbezahlt werden können.
Auf Bundesebene tut sich etwas. Die Gesetzesvorlage zur «Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung» wird im Parlament diskutiert: Wird das die finanzielle Situation verbessern?
Das sind wichtige Schritte, um die Vereinbarkeit von Beruf und Betreuung zu verbessern. Leider ändert sich dadurch an der finanziellen Situation kaum etwas.
Was braucht es zusätzlich?
Arbeitnehmende, die erwachsene Familienmitglieder und Nahestehende mit einer Behinderung betreuen, sollen Anspruch auf einen Betreuungsurlaub erhalten. In der Vorlage ist dies nur für Eltern vorgesehen, die schwerkranke oder schwer verunfallte Kindern betreuen. FRAGILE Suisse fordert zudem, dass nahe Angehörige auch als Assistenzpersonen anerkannt werden.
Was bedeutet das?
Menschen mit Behinderung, die eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen und auf regelmässige Hilfe angewiesen sind, haben Anrecht auf den sogenannten Assistenzbeitrag der IV. Mit diesem Beitrag können sie eine Assistenzperson anstellen, die die Betreuung zu Hause übernimmt. Das gilt, solange es sich um eine fremde Person handelt. Ausgerechnet nahe Verwandte (wie Kinder oder Ehepartner) werden nicht als Assistenzpersonen anerkannt. De facto wird von Angehörigen also verlangt, dass sie die Betreuung, wie aufwändig diese auch sein mag, gratis erbringen und dabei noch Lohneinbussen und eine reduzierte Altersvorsorge in Kauf nehmen. FRAGILE Suisse fordert daher, dass auch nahe Angehörige als Assistenzpersonen anerkannt und dementsprechend finanziell entschädigt werden.
- Antworten der Parteien auf die Umfrage von FRAGILE Suisse (PDF)
- Positionspapier «Betreuende Angehörige» von FRAGILE Suisse (PDF)
Interview: Annette Ryser