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Angehörige brauchen auch Zeit für sich

Neuropsychologin und Therapeutin Birgit Hohnecker sagt, was für Angehörige wichtig ist und was sie brauchen.

Neuropsychologin und Therapeutin Birgit Hohnecker sagt, was für Angehörige wichtig ist und was sie brauchen.

Birgit Hohnecker

Birgit Hohnecker

Eine Hirnverletzung betrifft auch immer die Angehörigen. Auch sie brauchen Hilfe, um mit der neuen Situation klarzukommen. Wir trafen Neuropsychologin und Therapeutin Birgit Hohnecker zum Interview.

FRAGILE Suisse: Birgit Hohnecker, nach einer Hirnverletzung ist auch für die Angehörigen alles anders. Was brauchen Angehörige in der ersten Phase besonders?
Birgit Hohnecker: In der ersten Phase nach einer Hirnverletzung ist es sehr wichtig, dass Angehörige viele Informationen erhalten: Was ist eigentlich mit der betroffenen Person passiert, was bedeutet dies, wie geht es weiter? Solche und andere Fragen stellen sich Angehörige. Es braucht Fachpersonen, die sich für sie Zeit nehmen, um die Fragen zu beantworten, Ängste zu nehmen. Angehörige laufen oft einfach so nebenher, das ist das Schwierige an der ganzen Situation. Sie fühlen sich oft im Stich gelassen.

Angehörige versuchen, den Betroffenen Mut zu machen. Sie haben aber selber mit Sorgen und Ängsten zu kämpfen. Was raten Sie als Neuropsychologin und Therapeutin ihnen?
Wie schon erwähnt, ist sich informieren sehr wichtig. Auch empfehle ich, Gleichgesinnte in Selbsthilfegruppen für Angehörige zu treffen, sich mit ihnen auszutauschen. Oft merkt man dann, dass andere dasselbe oder Ähnliches durchmachen, man fühlt sich verstanden und sieht, dass man nicht alleine ist auf der Welt mit solchen Problemen und Ängsten. Nach einer gewissen Zeit beziehe ich Angehörige auch in meine Therapien mit ein.

Was sind die Hauptprobleme von Angehörigen?
Viele funktionieren, legen sich rein, erledigen alles, kümmern sich um alles, fahren den Betroffenen von Ärzten zu Therapeuten. Irgendwann, so nach zwei bis drei Jahren, kommen viele an den Punkt, an dem sie nicht mehr können, total ausgelaugt sind. Obwohl sie dann mal Zeit für sich bräuchten, fühlen sich viele schuldig, den Betroffenen «im Stich» zu lassen. Oft bekommen sie das auch vom Umfeld zu spüren. «Der arme Mensch ist von einer Krankheit betroffen und jetzt fährst du einfach alleine in den Urlaub» sind Sprüche, die sich viele vom Umfeld anhören müssen. Das hilft nicht. Man muss für sich schauen, um wieder zu Kräften zu kommen, sich selber auch mal etwas Gutes tun, damit man dann wieder für den anderen sorgen kann.

Was brauchen Angehörige in Ihren Augen stärker?
Es bräuchte mehr externe Betreuung, damit Angehörige mal einen Tag für sich haben. Denn externe Betreuung kann sich nicht jeder leisten. Die Krankenkassen kommen dafür nicht auf.

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