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«Es ist schwer zu akzeptieren, dass es ein Vorher und ein Nachher eines Schlaganfalls gibt»

Dr. med. Christophe Bonvin, Leitender Arzt der Neurologie und Direktor der Stroke Unit Wallis im Spital Sitten, im Interview über Angehörige von Menschen mit Hirnverletzung.

Dr. med. Christophe Bonvin, Leitender Arzt der Neurologie und Direktor der Stroke Unit Wallis im Spital Sitten, im Interview über Angehörige von Menschen mit Hirnverletzung.

Dr. Christophe Bonvin

Neben Ihren Patientinnen und Patienten gibt es auch die Angehörigen: Wie unterstützen Sie diese?
Es gibt zwei Phasen bei der Behandlung von Schlaganfällen. Die Akutphase umfasst die ersten Stunden und Tage nach dem Ereignis, in denen schnell und mit grossem medizinischem Aufwand gehandelt werden muss, um das Gehirn zu schützen und Folgeschäden möglichst zu vermeiden. Die Dringlichkeit und der Umfang der medizinischen Versorgung, kombiniert mit dem Schock der Diagnose, ist für Betroffene und ihre Angehörigen psychologisch nur schwer zu ertragen. In der zweiten Phase müssen die Situation und die individuellen Probleme mit der Familie und der betroffenen Person besprochen werden, um die funktionelle und medizinische Rehabilitation – den Umgang mit Funktionen, die temporär oder permanent verloren gegangen sind – optimal auszurichten.

Was brauchen Angehörige in dieser traumatischen Situation?
Die Bedürfnisse variieren und verändern sich. Einige Angehörige sind sehr auf die Ursache und Behandlung des Schlaganfalls fokussiert, andere auf die Medikamente. Viele machen sich Sorgen über einen Rückfall und einige möchten den früheren Zustand wiederherstellen. Unsere Aufgabe ist es, zu informieren, zu erklären und zu beruhigen.

Wie können Fachpersonen die Angehörigen in die Unterstützung einbeziehen?
Unsere Tipps für den Alltag: motivieren, ohne zu übertreiben, kleine Fortschritte würdigen, nicht stigmatisieren, verstehen, ohne zu urteilen. Gesprächsgruppen wie jene von FRAGILE Suisse, Gespräche mit dem Hausarzt und psychologische Beratungen binden die Angehörigen ein und helfen ihnen bei der Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe.

Was ist die Stärke der Angehörigen?
Man muss sich bewusst werden und akzeptieren, dass es ein Vorher und ein Nachher eines Schlaganfalls gibt. Die Aufgabe der Angehörigen liegt darin, im Alltag präsent zu sein, zu begleiten, zu helfen und positiv zu motivieren. Manchmal kommt es zu einer Infantilisierung der betroffenen Person durch die Partnerin, den Partner oder die Kinder sowie zu übertriebenen Ideen, was nun nötig wäre: eine andere Ernährung, körperliche Aktivität oder Nichtraucher werden. Die Angehörigen ermöglichen ein «besseres Leben», dürfen aber das Wort «leben» nicht vergessen. Man muss Distanz einnehmen zur Krankheit und zur medikalisierten Welt und einen entspannteren Alltag anstreben, der aus Lachen, Entdeckungen und emotional starken Erlebnissen besteht. Das ist ein lebenswichtiges Bedürfnis und eine Quelle der Heilung, die nicht zu vernachlässigen ist.

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