Zur Situation
Mein Lebenspartner erlitt vor 17 Jahren, kurz nach seiner Pensionierung, zwei Hirnschläge. Er war linksseitig gelähmt, der Stirnlappen des Gehirns wurden auch betroffen.
Ich war damals noch berufstätig in einer leitenden Funktion.
Es wurde schnell klar, dass ich meine Stelle aufgeben musste.
Ich arbeitete weiter in einem Betrieb, der mir mehr Freiheit liess, reduzierte mein Pensum auf 80% und liess mich mit 62 Jahren vorzeitig pensionieren.
Seine abnehmende Mobilität, der Umgang mit den täglichen Schmerzen und die wechselnden Stimmungslagen sind seither unsere Hauptherausforderungen.
Die Ärzt:innen und Therapeut:innen einbinden
Zu Beginn hatten wir Glück mit einer Hausärztin, die bereit war, zu Hause mit den TherapeutInnen Netzgespräche zu verlieren. So waren sich alle im Klaren bezüglich der Situation und der Therapieziele. Sie engagierte sich in bewundernswerter Weise.
Im Moment befinden wir uns im luftleeren Raum. Die letzte Ärztin liess sich pensionieren, wir haben noch keinen neuen Hausarzt gefunden.
Die vielen Kontakte mit den FachärztInnen sind eine Herausforderung. Was haben wir nicht alles probiert, um die Schmerzsituation zu verbessern? Leider ohne wirklichen Erfolg.
Sich zur richtigen Zeit zurücknehmen
Unsere langjährige Paarbeziehung hat sich sehr geändert, dies auch wegen der wechselnden Stimmungslage meines Partners. Es gibt Momente des Gemeinsamen, aber dann - und meistens unverhofft - habe ich es mit einem Patienten zu tun. Wenn ich den Moment richtig analysiere, gelingt es mir einen Schritt zurück zu tun und mich so zu schützen und zu entfernen. Im Nachhinein können wir manchmal über diese Momente sprechen. Es hilft uns auch, dass wir uns periodisch die Unterstützung einer Psychotherapie holen.
immer gemeinsame Projekte am Laufen haben
Wir waren früher oft auf Reisen und dies ziemlich spontan. Wir entdeckten Orte, die uns faszinierten. Das Zurückdenken an viele dieser Reisen ist eine wunderbare Sache.
Nun haben wir das Reisen auf die neue Situation angepasst. Es gibt im Voraus Abklärungen zu treffen, damit das Reisen mit Rollstuhl klappt. An vielen Orten kennen wir in der Zwischenzeit geeignete Zimmer / Wohnungen, gerne reisen wir auch per ÖV.
Die Ziele sind auch landesabhängig. In Deutschland funktioniert punkto Barrierefreiheit vieles besser als in der Schweiz, wo die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetz harzt.
Das Ausdenken und Planen einer nächsten Unternehmung ist immer dynamisches Vergnügen.
Sich Entlastung organisieren
Meine «Monopolstellung» als Begleiter, Helfer, Koch, Partner, ist für die Weiterführung einer förderlichen Beziehung eine Belastung, die an der Substanz zehrt. Und dies eigentlich gegenseitig. Auch für meinen Partner ist es wichtig, sich mit anderen Personen auseinander zu setzen und zu erleben, dass es auch anders geht.
Wir haben aktuell Entlastung durch eine Pflege- und Haushalthilfe, die es mir ermöglicht, zweimal pro Woche, abends frei zu haben und so auch einmal auswärts bei FreundInnen zu übernachten.
Einmal pro Woche hilft uns zudem eine Putzfrau.
Die sozialen Kontakte pflegen
Das Leben erfährt in verschiedener Hinsicht eine Wendung, wenn man seine Gesundheit verliert. Verschiedene Beziehungen haben sich dadurch verflacht oder sind verflüchtigt. Dies gilt auch für Teile der Verwandtschaft.
Es gilt dort zu investieren, wo das freudige Leben wohnt.
Es bleiben etliche jangjährige Beziehungen, wo man sich tief vertraut und aufeinander einlässt und man sich auch in den veränderten Lebenssituationen nahesteht.
Wenn man älter wird, ist es umso wichtiger, dass man es sich wagt, die Beziehungen zu Jüngeren zu pflegen und deren Aufnahme zu wagen.
Mein Partner braucht für sehr vieles sehr viel Zeit. Im handling der elektronischen Kommunikationsmittel ist er unstet geworden.
Verschiedene FreundInnen melden sich deshalb bei mir, weil er ihnen keine Antwort gibt.
Ich vernetze und organisiere generell gerne. Es war und ist mir auch immer wichtig, Freundschaften zu pflegen. «friends are the flowers in the garden of life», dies ist für mich ein Lebensleitsatz.
Gäste gut zu empfangen und zu bewirten und mit ihnen dabei auf die erbaulichen Aspekte des Lebens anzustossen, das sind Glücksmomente.
Nicht aufgeben in den Verhandlungen mit ÄrztInnen, Versicherungen und IV etc.
Dies ist ein zeitaufreibender und zuweilen undankbarer Teil der Arbeit. Mein Partner assistiert mit einmal pro Monat bei der Administration. Es ist ihm wichtig, dass er noch einen Einblick hat. Regelmässig braucht es von mir aus aber Nachfragen, Kontrolltätigkeit. Da ich im Beruf mit dem gleichen Umfeld zu tun hatte, sind mir viele der Abläufe vertraut.