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«Der Schlaganfall ist die Hauptursache von Hirnverletzungen»

Hirnverletzungen können bleibende Schäden hinterlassen. Aber was sind die Ursachen? Weshalb erleiden gewisse Menschen Hirnverletzungen wie etwa einen Schlaganfall, andere hingegen nicht? Professor Patrik Michel, Neurologe am CHUV (Centre hospitalier universitaire vaudois), dem Universitätsspital in Lausanne, und Schlaganfall-Spezialist, antwortet auf unsere Fragen.

Hirnverletzungen können bleibende Schäden hinterlassen. Aber was sind die Ursachen? Weshalb erleiden gewisse Menschen Hirnverletzungen wie etwa einen Schlaganfall, andere hingegen…

Foto: Prof. Dr. med. Patrik Michel

Foto: Prof. Dr. med. Patrik Michel

Prof. Dr. med. Patrik Michel und sein Team arbeiten im Rahmen des CHUV-Programms ÉTaPe (Education Thérapeutique pour les Patients et l’entourage après un AVC) unter anderem mit Christine Jayet, Mitarbeiterin im Bereich Beratung und Kurswesen von FRAGILE Suisse, zusammen. Ziel dieses Schulungsprojekts ist es, Schlaganfall-Patientinnen und ‑Patienten und ihren Angehörigen die Schlüssel in die Hand zu geben, um besser mit dieser Diagnose leben zu können und die Risiken von weiteren Gefässerkrankungen einzuschränken.

Professor Michel, was sind die wichtigsten Ursachen von Hirnverletzungen und welche Folgen haben sie?

Der Schlaganfall ist weltweit die Hauptursache von Hirnverletzungen. Er betrifft in der Regel eine Seite des Gehirns und löst einseitige Lähmungen, Sprach-, Seh- und Gleichgewichtsstörungen aus, während Gedächtnis und Emotionen weniger beeinträchtigt werden. Schädeltraumata sind ebenfalls eine häufige Ursache. Dabei wird oft der vordere Teil des Gehirns geschädigt, was meistens zu Verhaltensstörungen und unstabilen emotionalen Reaktionen führt. Zu den weiteren Ursachen zählt die Multiple Sklerose (MS), entweder mit isolierten Seh-, Kraft- oder Sensibilitätsstörungen oder mit zunehmenden Gleichgewichts- und Gehproblemen. Auch Hirntumore können ein Auslöser sein. Sie betreffen wie ebenso ein Schlaganfall oft nur eine Seite des Gehirns und sind manchmal von epileptischen Anfällen begleitet.

Alle Ursachen von Hirnverletzungen betreffen also spezifische Regionen des Gehirns und haben somit unterschiedliche Folgen. Zudem hängen gewisse Hirnverletzungen mit einem einzelnen Ereignis zusammen, andere sind wiederkehrend (MS) und wieder andere progressiv (Tumor).

Was sind die Risikofaktoren für einen Schlaganfall und kann man ihm vorbeugen?

Man unterscheidet zwischen veränderbaren und nicht veränderbaren Risikofaktoren. Veränderbare Faktoren sind jene, die man behandeln und beeinflussen kann: Bluthochdruck, Cholesterin, Übergewicht, fehlende körperliche Bewegung, Rauchen, Diabetes oder auch Vorhofflimmern. Die nicht veränderbaren Risikofaktoren sind Geschlecht, Alter oder genetische Faktoren. Man weiss heute, dass Männer häufiger einen Schlaganfall erleiden als Frauen. Bekannt ist auch, dass sich Erkrankungen von Arterien, Herz und Blut wie etwa Atherosklerose mit dem Alter akkumulieren. In den Gefässen können sich Gerinnsel bilden oder sie können reissen und einen Schlaganfall auslösen.

Stress hat bekanntlich gravierende gesundheitliche Auswirkungen. Ist er auch eine Ursache von Schlaganfällen?

Stress wirkt sich direkt und indirekt auf Schlaganfälle aus. Die indirekte Wirkung besteht darin, dass die anderen Risikofaktoren verstärkt werden. Wer gestresst ist, tendiert nämlich dazu, sich schlecht zu ernähren, zu wenig zu schlafen, vielleicht zur Zigarette zu greifen oder ein Glas Alkohol zu viel zu trinken. Damit erhöht man das eigene Risiko für einen Schlaganfall. Die direkte Wirkung liegt darin, dass Stress die vorzeitige Alterung der Arterien und des Herzens beschleunigt und damit die Schlaganfall-Risiken verschärft. Deshalb ist es wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, in die Natur zu gehen, gute soziale Kontakte zu pflegen und sich, wenn nötig, von einer Psychologin oder einem Psychiater unterstützen zu lassen.

Stress erhöht wahrscheinlich auch die Gefahr von Schädeltraumata – etwa wenn man auf einen Bus rennt und dabei stürzt. Bei anderen Hirnverletzungen beispielsweise im Zusammenhang mit MS und Tumoren ist die Rolle von Stress weniger klar.

Warum ist die Gefahr bei Menschen, die bereits einmal einen Schlaganfall erlitten haben, grösser, nochmals Opfer eines weiteren Schlaganfalls zu werden?

Das ist bei den meisten Gefässerkrankungen so. Wenn bereits einmal ein Schlaganfall aufgetreten ist, dann lagen wahrscheinlich mehrere Risikofaktoren vor. Wenn ein Betroffener eines Schlaganfalls danach weiterlebt, ohne diese Faktoren zu behandeln, dann bleibt die Gefahr bestehen. Man kann einen solchen Vorfall aber auch anders betrachten: Wenn die Ursachen eines Schlaganfalls erkannt werden, erhält man nämlich oft die einmalige Chance, sein Leben zu verändern. Man kann mit dem Rauchen aufhören, Gewicht verlieren, sich regelmässig körperlich betätigen oder seinen Cholesterinspiegel behandeln lassen und damit die eigenen Risikofaktoren vermindern. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber mit viel Engagement und guten Medikamenten lassen sich die Risiken erheblich einschränken.

Interview: Aurélie Vocanson

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