Vor meiner Hirnblutung war ich ein typischer 17-jähriger Teenager mit vielen Flausen im Kopf. Oberflächlich, unbeschwert, begeisterungsfähig, humorvoll und viel unterwegs mit Freunden und Freundinnen. Ich hatte ein stabiles Umfeld, eine tolle Familie und durfte auch bereits viel von der Welt sehen. Nach der Schule begann ich im Sommer 2019 meine Lehre als Elektriker. Ich stand mitten im Leben. Dann, im Januar 2020, erlitt ich eine Hirnblutung. Von einem Moment auf den anderen war alles anders. Ich musste über Nacht erwachsen werden.
Eine grosse Herausforderung für mich war zu akzeptieren , dass ich mich mit meinem neuen Leben abfinden muss. Ich musste lernen, die Trauer zuzulassen und mich überwinden, trotz der Hirnblutung nach vorne zu schauen und positiv in die Zukunft zu blicken. Meine Freunde haben sich mit der Zeit etwas zurückgezogen und gehen oft ohne mich in den Ausgang. Leider muss ich dann nachfragen, damit ich mitgehen kann. Ich weiss, dass dies für meine Freunde auch nicht immer einfach ist, wünschte mir aber, dass sie mich nicht vergessen. Dies macht mich oft etwas traurig. Dafür kann ich mit meinen grossen Brüdern zum Glück viel unternehmen, was mich glücklich macht. Meine ganze Familie und ganz besonders auch mein Grosspapi unterstützen mich sehr. Meine beiden Hunde, Dewi und Mira (15 und 8 Jahre alt) wissen alles von mir und mussten mir schon oft zuhören. Ausserdem begleitet mich ein grossartiges Therapeuten-Team, welches mich fast seit Tag eins unterstützt. Auch mein Arzt und meine neurologische Ärztin stehen mir bei jeder Frage mit Rat zur Seite. Gleichzeitig habe ich aber Zukunftsängste, insbesondere bei der Vorstellung, dass meine Eltern mich irgendwann nicht mehr unterstützen und begleiten werden können.
Das hier ist klar der Kampf meines Lebens und ich hätte gerne mein altes Leben zurück. Trotzdem weiss ich, dass es mein Weg ist: Manche können ihn mit mir gehen, aber keiner kann ihn für mich gehen.
Das Positive an meiner Geschichte ist, dass ich in den letzten drei Jahren grosse Hilfsbereitschaft erfahren durfte von Menschen, von denen ich dies nicht erwartet hätte. Ich habe Menschen und Institutionen kennengelernt, von denen ich noch nie etwas gehört habe und nicht einmal wusste, dass es etwas in dieser Art gibt. In diesem Sinne habe ich meinen Horizont enorm erweitert. Ausserdem habe ich meine emphatische Ader entdeckt. Ungerechtigkeit anderen gegenüber beschäftigt mich sehr und ich setze mich für Benachteiligte ein. Heute würde ich deshalb sehr gerne eine Ausbildung im sozialen Bereich machen und Menschen mit ähnlichen Herausforderungen unterstützen. Ich wünsche mir ein selbstständiges, glückliches Leben, in welchem ich meinen Berufswunsch verwirklichen kann und hoffe, dass ich die Chance dazu erhalte.
Anderen Betroffenen möchte ich Mut machen, nicht aufzugeben und ihnen daher mein Lieblingszitat mit auf ihren persönlichen Weg geben:
Wer fällt und wieder aufsteht, besitzt mehr Stärke als jemand, der noch nie gefallen ist!