Im Interview spricht die zertifizierte Gehirntrainerin darüber, wie wichtig es ist, das Gedächtnis und Gehirn zu trainieren und verrät, was sich als Training besonders gut eignet.
FRAGILE Suisse: «Franziska Bösiger, Sie leiten Gehirntrainings für FRAGILE Suisse. Wie wichtig ist ein Gedächtnis- oder Gehirntraining?»
F. Bösiger: «Ich möchte mit einem Vergleich antworten: Wenn Sie einen Physiotherapeuten nach der Wichtigkeit von körperlicher Fitness fragen, ist es ihm sicher ein Anliegen, dass Sie sich körperlich fit halten und entsprechende Übungen in den Alltag integrieren. So verhält es sich auch mit unserem Gehirn. Etwas Neues zu erlernen braucht Übung - Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen - ebenso das Erhalten unserer Fertigkeiten - Use it or lose it.
Wie ein Muskel will auch unser Gehirn bewegt werden. Dies tun wir bereits von Geburt an und so trainieren wir unser Gehirn jedes Mal, wenn wir über etwas aktiv nachdenken, eine neue Herausforderung anpacken oder wir etwas Neues erlernen oder erfahren. Im Gedächtnistraining lerne ich mein Gehirn besser kennen, erfahre Strategien und Übungen, die die Merkfähigkeit verbessern können.»
FRAGILE Suisse: «Wer sollte Gehirntraining machen?»
F. Bösiger: «Gehirntraining ist an kein Alter gebunden und kann vom Schüler bis zum älteren Kursteilnehmer besucht werden. Bei Schülern und Erwachsenen liegt das Schwergewicht eher im Lerntraining. Ältere Kursteilnehmer bewahren ihre Fertigkeiten und erfahren, dass Lernfähigkeit bis ins hohe Alter erhalten werden kann, es kein Richtig oder Falsch gibt, bloss günstigere und ungünstigere Denk- und Lösungswege oder Strategien. Bei Teilnehmern mit einer Hirnverletzung liegt der Schwerpunkt eher bei Alltagsstrategien und individuellen Anliegen.
Für alle Zielgruppen gilt: Gehirntraining:
- fördert soziale Kontakte
- Hilft den Alltag zu Bewältigen
- Macht Spass und bereitet Freude
- Es wird gefordert, aber nicht überfordert
- Hebt das allgemeine Wohlbefinden»
FRAGILE Suisse: «Was eignet sich besonders gut als Training?»
F. Bösiger: «Man sollte sich die Frage stellen: An was kann ich mich am besten erinnern?
Alles, was mein Interesse weckt, mich emotional anspricht oder worauf ich meine volle Aufmerksamkeit lenke. An diese Sachen fällt es mir meistens leicht, mich daran zu erinnern. Ein Gehirntraining beinhaltet immer:
- Wahrnehmungsübungen (zum Beispiel eine Minute bewusst die Umgebungsgeräusche wahrnehmen und aufzählen)
- Konzentrationsübungen (in einem kurzen Text einen bestimmten Buchstaben zählen)
- Merkübungen (den Einkaufszettel schreiben, aber zu Hause lassen)
- Sprachübungen (zu jedem Buchstaben des Alphabets ein Wort zu einem bestimmten Thema suchen)
- und Logikübungen zur Strukturierung
- Und schliesslich ist es nicht nur Kopfsache, die körperliche Bewegung unterstützt unser Erinnerungsvermögen ebenfalls.»
FRAGILE Suisse: «Kann man auch falsch trainieren? Worauf sollte man beim Gehirntraining besonders achten?»
F. Bösiger: «Im Gespräch über Gehirntraining höre ich oft: «Ich mache Gedächtnistraining: Ich fülle Kreuzworträtsel aus.» Wenn das Ausfüllen geistig fordert, die Wörter nachgeschlagen werden müssen – Ja, dann ist es Gehirntraining. Wenn ich beim Schreiben nicht mehr überlegen muss, macht es mir vielleicht Spass, aber ich trainiere das Gehirn nicht. Wenn ich die Wörter allerdings rückwärts in die Kästchen schreibe, trainiere ich das Gehirn, weil ich wahrscheinlich selten rückwärts schreibe.
Also, alles, worüber ich mich aktiv auseinander setzen muss, oder alles was uns nicht automatisch von der Hand geht wie Schreiben oder Velo fahren – also wenn das Gehirn die Komfortzone verlassen muss, ist Gehirntraining.»
Text: Carole Bolliger