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«Als angehörige Person muss man den Weg mitgehen»

Daniel S., 61-jährig, erlitt vor 38 Jahren durch einen Autounfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Nach einer mehrjährigen dunklen Zeit traf er seine Frau, mit der er zwei erwachsene Kinder hat. Das gab ihm seine Motivation und Lebensfreude zurück. Er möchte anderen Betroffenen Mut machen und bietet als leidenschaftlicher Nordic Walker Kurse für FRAGILE Aargau/Solothurn Ost an. Seit sein Vater vor wenigen Jahren mit 85 einen Hirninfarkt erlitt, ist Daniel auch betreuender Angehöriger.

Daniel S., 61-jährig, erlitt vor 38 Jahren durch einen Autounfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Nach einer mehrjährigen dunklen Zeit traf er seine Frau, mit der er zwei…

Portrait eines Mannes, der neben seinem Home-Trainer steht. Er trägt ein Blaues Sport-Shirt und hat ein rotes Tuch um den Nacken.

«Als ich meinen Vater kurz nach dem Ereignis im Spital besuchte, liefen mir die Tränen herunter», erzählt Daniel S. Es war sehr hart für ihn, seinen Vater im Rollstuhl und mit einer verzogenen Gesichtsmuskulatur zu sehen. Der Hirninfarkt hatte bei ihm eine komplette Hemiplegie und Aphasie verursacht. «In unserer Familie wurde Sport immer grossgeschrieben und mein Vater war als Ski-Experte ständig auf den Skiern. Ihn so hilflos zu sehen, war einfach brutal. Ich wusste sofort, dass ich mich um ihn kümmern würde.»

Begleitung und Unterstützung sind wichtig

Nach seiner eigenen Hirnverletzung, die er mit 23 erlitt, hat sich Daniel viel mit der Hirnforschung befasst und sich in diesem Bereich auch weitergebildet. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Erfahrungen und sein Wissen zu teilen und weiterzugeben. Deshalb war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, nach dem Hirninfarkt seines Vaters das Ruder in die Hand zu nehmen und ihn als engste Bezugsperson zu begleiten. «Neben der medizinischen und therapeutischen Versorgung ist diese Unterstützung durch eine Bezugsperson das Wichtigste. Man muss die betroffene Person durch diese schwierige Zeit begleiten, damit sie nicht verloren geht.»

Es folgten tägliche Besuche in der Reha-Klinik. Als Ende 2020 wegen Corona das Besuchsverbot kam, konnte Daniel eine Sondergenehmigung erwirken, weil er wusste, wie wichtig die persönliche Begleitung für die Genesung war. Er begleitete seinen Vater bei allen Therapien. In der Reha stützte Daniel ihn und lief mit ihm in der Klinik herum. «So konnte ich ihn schon sehr bald aus dem Rollstuhl holen, die Therapeuten haben gestaunt!», freut er sich. Bereits ein Monat später konnte der Vater wieder zurück nach Hause, wo er ambulant weiter therapiert wurde. Auch hier hat Daniel ihn mit zusätzlichen Übungen unterstützt. Nicht einmal vier Monate nach dem Ereignis folgte das nächste Erfolgserlebnis: «Mein Vater konnte mich beim Nordic Walking begleiten, und das mit seinen 85 Jahren!»

 

«Man muss die betroffene Person durch diese schwierige Zeit begleiten, damit sie nicht verloren geht.»

 

Dass Daniel seit seiner Kindheit sehr sportlich war und er deshalb über eine gute körperliche Konstitution verfügte, hat ihn gerettet und ihm in seiner eigenen Rehabilitation sehr geholfen. Dasselbe galt nun natürlich auch für seinen Vater. Daniel weiss aber auch, wie wichtig Bewegung und Sport nach einer Hirnverletzung für die den Heilungsprozess ist. «Damals, nach meiner Hirnverletzung, wurde nicht so viel Wert darauf gelegt. Ich habe in den letzten Jahren jedoch viel gelernt und weiss nun als selber betroffene Person, was das Beste ist für meinen Vater: viel Bewegung in der Natur.»

Familienbeziehungen

Durch den Hirninfarkt sind sich Vater und Sohn wieder näher gekommen. Daniel sagt, die Beziehung zu seinen Eltern und Geschwister sei schon in seiner Kindheit und Jugend nicht einfach gewesen. Seit seiner eigenen Hirnverletzung vor 38 Jahren hätte er praktisch keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt. «Nach dem Unfall war ich nicht mehr der erfolgreiche Sportler, der ich vorher gewesen war, ich konnte keine Leistungen mehr erbringen. Ich hatte mich verändert.» Dadurch sei der Kontakt abgebrochen, seine Familie hätte sich auch nie richtig mit dem Thema Hirnverletzung befasst. Nur seine Schwester hielt in dieser schwierigen Zeit zu ihm.

Trotz dieser Situation wurde Daniel nach dem Hirninfarkt seines Vaters sofort informiert. Er war die Person mit Erfahrung in diesem Gebiet und für ihn war klar, dass er sich um seinen Vater kümmern würde. Für Daniel eine wichtige Aufgabe und Arbeit. Am Anfang hatte er dadurch natürlich mehr Kontakt mit seiner Familie. Er bereitete auch seine Mutter auf die Rückkehr des Vaters vor und sagte ihr, dass er nicht mehr derselbe Mensch sei und gewisse kognitive Einschränkungen habe. Teilweise sind diese natürlich auch altersbedingt. Aber eine Verletzung am Gehirn könne auch das Wesen und die Persönlichkeit eines Menschen verändern. Nach der intensiven Zeit sei der Kontakt zur Familie jedoch wieder abgeflacht, und nun sei es wieder wie vorher. Nur seinen Vater sieht er regelmässig, oft bewegen sie sich zusammen in der Natur beim Nordic Walking. «Meine Familie ist sich nicht bewusst, was ich in den ersten Wochen geleistet habe. Sie kennen sich einfach zu wenig aus mit Hirnverletzungen und ihren Folgen. Obwohl das doch so wichtig wäre!», meint Daniel. Darüber ist er zwar etwas enttäuscht, er hat sich aber mit der Situation abgefunden.

Was er denn anderen angehörigen Personen mit auf den Weg geben möchte?

«Wichtig ist, dass die betroffene Person in der ersten Zeit nur eine einzige Bezugsperson hat. Die ganze Familie oder zu viele Personen können die Betroffenen überfordern», meint Daniel. Diese Bezugsperson sollte sich zwingend mit dem Thema Hirnverletzung und ihre Folgen auseinandersetzen, sich weiterbilden und lernen. «Bei der Organisation Fragile bekommen nicht nur Betroffene, sondern eben auch Angehörige Unterstützung. Sie können sich über Hirnverletzungen informieren und sich beraten lassen. Darum ist es so wichtig, dass es solche Organisationen gibt!» Er betont immer wieder, wie wichtig die Begleitung durch diese Bezugsperson ist. Die Betroffenen müssen vertrauen und sich auf die Bezugsperson voll verlassen können. «Man muss die betroffene Person durch diese schwierige Zeit begleiten, man muss den Weg mit ihr mitgehen. Das ist für die Betroffenen zentral und beschleunigt den Heilungsprozess.»

Nordic Walking

Daniel möchte nicht nur als angehörige Person helfen und unterstützen. Deshalb hat er vor einigen Jahren bei FRAGILE Aargau/Solothurn Ost Nordic Walking Gruppen für Betroffene ins Leben gerufen, die er bis heute mit viel Leidenschaft und Engagement leitet (mehr Informationen hier). Und er will das Angebot noch ausbauen, weil er weiss, wie gut es tut, sich in der Natur zu bewegen. Für alle, aber insbesondere auch für Menschen mit einer Hirnverletzung.

Wie Daniels Vater schon bald nach dem Hirninfarkt beim Nordic Walking unterwegs ist, sehen Sie hier:

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