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Wie funktioniert unser Gedächtnis?

Ob wir wach sind oder schlafen – ständig erfasst, filtert, sortiert und speichert unser Gehirn Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen ab. Sie bilden gemeinsam unser Gedächtnis – ein Netzwerk aus Nervenzellen, die mal feine Verästelungen, mal breite Datenautobahnen im Gehirn bilden.

Ob wir wach sind oder schlafen – ständig erfasst, filtert, sortiert und speichert unser Gehirn Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen ab. Sie bilden gemeinsam unser Gedächtnis – ein Netzwerk aus Nervenzellen, die mal feine Verästelungen, mal breite Datenautobahnen im Gehirn bilden.

Wie lange können wir uns erinnern?

Wie lange eine Information im Gedächtnis bleibt, hängt davon ab, wie tief sie verankert wird. Was wir mit unseren Sinnen laufend wahrnehmen, bleibt für gerade mal zwei Sekunden im Ultrakurzzeitgedächtnis. Dann geht es gleich wieder vergessen – sofern es bis dahin nicht ans Arbeitsgedächtnis (auch Kurzzeitgedächtnis genannt) weitergereicht wurde. Das geschieht aber nur für Informationen, die unser Gehirn als genügend wichtig betrachtet.

Das Arbeitsgedächtnis besitzt eine Kapazität von ungefähr sieben Gedanken, die bis zu 20 Minuten erinnert werden können. Dank dem Arbeitsgedächtnis wissen wir am Ende eines Satzes noch, wie er anfing, oder können Zahlen im Kopf behalten, um eine Rechenaufgabe zu lösen. Die Kapazität ist aber auch hier begrenzt – wenn neue Informationen reinkommen, fliegen alte wieder raus. Und auch im Arbeitsgedächtnis geschieht wieder eine Selektion: Nur Informationen, die entweder neu, dringlich oder wichtig erscheinen, schickt das Arbeitsgedächtnis weiter ins Langzeitgedächtnis. Einmal dort abgelegt, können wir die Erinnerungen dann jahrelang immer wieder aufrufen.

Wie verankert sich ein Gedanke im Gehirn?

Die Entscheidung, ob eine Information ins Langzeitgedächtnis gelangt, trifft der Hippocampus – das ist ein Teil des Schläfenlappens (Temporallappens) der Grosshirnrinde (Cortex). Der Prozess des Abspeicherns im Langzeitgedächtnis dauert dann gut 24 Stunden und findet vor allem in der Nacht statt. Ohne ständig eintrudelnde neue Informationen findet das Gehirn im Schlaf genügend Ruhe, um die Erinnerungen zu festigen. Neue Informationen werden dabei mit bestehenden Erinnerungen verknüpft, wenn das Gehirn Gemeinsamkeiten entdeckt.

Warum sind unsere Erinnerungen manchmal falsch?

Manchmal spielt uns das Gedächtnis Streiche. Dies kann im nicht ganz so schlimmen Fall etwa zu einem Ehestreit führen und im schlimmen Fall sogar zu Falschaussagen vor Gericht. Das Gedächtnis neigt nämlich dazu, Lücken mit neuen Informationen zu füllen – diese falschen Erinnerungen sind nicht von echten zu unterscheiden. Sie können entstehen, wenn bestehende Erinnerungen aufgerufen werden – etwa, wenn man wiederholt gefragt wird, ob man sich an ein bestimmtes Ereignis erinnert.

Der Hippocampus ruft die alte Erinnerung auf, vergleicht sie mit neuen Informationen und speichert beides neu ab – in leicht veränderter oder ergänzter Form. Bei jedem Abrufen kann das Ereignis also in einen neuen Zusammenhang gerückt, verzerrt und mit neuen Details versehen werden. So können sich Menschen mit der Zeit an Dinge erinnern, die sie nie erlebt haben.

Warum lässt uns das Gedächtnis manchmal im Stich?

Haben wir nicht alle schon mal erlebt, dass uns ein Name nicht mehr einfallen wollte, obwohl wir sicher waren, ihn eigentlich zu kennen? Dies liegt daran, dass Erinnerungen nur zugänglich sind, wenn ein sogenannter Abrufreiz vorhanden ist – dadurch werden wir nicht andauernd von unnötigen Erinnerungen überflutet. Vergessen ist wichtig.

Einen Abrufreiz zu auszulösen, kann aber manchmal ganz schon schwierig sein, vor allem beim freien Abruf («Was ist die Hauptstadt von Litauen?»). Es fällt einfacher, wenn ein Hinweisreiz vorhanden ist («Es fängt mit V an.»). Als Hinweisreiz eignen sich alle Dinge, die im Gehirn irgendwie mit der Erinnerung verknüpft sind: etwa ein Duft, ein Geräusch, ein Foto, ein ähnliches aktuelles Ereignis oder eine Eselsbrücke. Erinnerungen lassen sich zudem besser aufrufen, wenn wir das regelmässig tun – dadurch festigen wir die Nervenverbindungen. Lang zurückliegende Erinnerungen lassen sich hingegen fast kaum mehr frei abrufen, sondern nur noch durch einen Hinweisreiz («Dieser Duft erinnert mich an das After-Shave meines Vaters und wie er jeweils mit uns einen Sonntagsausflug machte.»).

Text: Annette Ryser

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