Was früher alltäglich für sie war, ist heute anstrengend. „Wenn ich heute in die Stadt gehe, ist es so, wie wenn ich früher eine Bergtour gemacht habe“, sagt Regula K. Die Relationen haben sich stark verändert. Regula K. erlitt im vergangenen August vor zwei Jahren einen schweren Hirnschlag. Obwohl sie heute wieder alleine leben kann, hat sich ihr Alltag grundlegend geändert. „Vor dem Hirnschlag war ich ein Arbeitstier und habe immer etwas unternommen“, erinnert sie sich. Heute erschöpft sie schon ein kurzer Spaziergang am Stock. Die meiste Zeit sitzt sie im Rollstuhl. Sie muss ihre Energie gut einteilen und braucht immer wieder Erholungspausen. „Obwohl es für andere so aussieht, als würde ich nichts machen, so sind meine Tage doch vollgepackt“, sagt sie. Für alles braucht sie viel mehr Zeit.
Ein künstliches Koma hilft, noch Schlimmeres zu verhindern
Fast einen Tag lang lag Regula K. nach ihrem Hirnschlag bewusstlos in der Wohnung. „Da ich am nächsten Tag mit zwei Freundinnen abgemacht hatte und nicht erschien, machten sie sich Sorgen“, erinnert sie sich. Sie lag im Bad am Boden und konnte nicht aufstehen, als die Freundinnen an die Tür hämmerten. Nachdem die Polizei die Tür aufgebrochen hatte, konnte die junge Frau in die auf Hirnverletzungen spezialisierte Stroke-Abteilung im Universitätsspital Zürich gebracht werden. Dort wurde sie sofort ins künstliche Koma versetzt, um das Hirn zu schonen. Im Spital hatte sie zwei weitere Hirnblutungen. „Man wusste lange nicht, ob ich überhaupt überleben würde und wenn ja, mit welchen Folgen.“
Wieder zurück in den Beruf
Nach mehreren Hirnoperationen und mehreren Wochen Spitalaufenthalt kam Regula K. zur Reha nach Valens. Sie musste vieles wieder lernen: schlucken, laufen, sitzen Für eine kurze Zeit war ihre Fähigkeit zu reden durch die Lähmung weg, doch mit Reha kam diese wieder. Die Reha hat sie als „strenge Zeit“ in Erinnerung. „Ich hatte Mühe damit, dass ich für alles Hilfe brauchte und nicht einmal alleine aufs WC konnte.“ Doch die junge Frau kämpfte und konnte nach ein paar Monaten intensiver Behandlung und Training ins Wohnhuus Bärenmoos in Oberrieden umziehen.
Danach suchte sie eine neue Wohnung. „Ich wollte unbedingt wieder alleine leben und möglichst selbständig sein.“ Regula K. fand eine kleine Wohnung in der Stadt Zürich. Auch in ihren Beruf als Projektassistentin bei der Stadt Zürich konnte sie zurückkehren. Mit einem Arbeitspensum von 20 Prozent, aufgeteilt auf drei Tage. Denn nur schon der Weg zur Arbeit kostet sie viel Kraft und Energie.
Regula K. hat ihr Schicksal akzeptiert
Obwohl sie wieder selbständig ist und etwas arbeiten kann, vermisst Regula K. manchmal ihr altes Leben. Anfangs hat sie mit ihrem Schicksal gehadert, heute hat sie es akzeptiert. „Ich bin ganz zufrieden“, sagt sie nicht ganz ohne Wehmut. Am meisten hat sie nebst den körperlichen Behinderungen – sie ist halbseitig gelähmt und kann nur kurze Strecken zu Fuss gehen – mit unsichtbaren Beeinträchtigungen zu kämpfen. Sie ist viel schneller müde, hat eine beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit. Lärm und grosse Menschenmengen verträgt sie nicht mehr gut. Manchmal müsse sie sich einfach eingestehen „ich kann das im Moment nicht“, was oft nicht einfach sei. Trotz allem findet Regula K., dass sie „im ganzen Seich“ grosses Glück hatte. Ihre positive Einstellung und ihr gutes Umfeld helfen ihr. Beim Kochen und wenn sie sich um ihre vielen Pflanzen kümmert, findet sie Ablenkung und Ruhe.
Austausch in den Selbsthilfegruppen
Hilfe bekommt sie von Freunden, Familie und FRAGILE Suisse. Durch ihre Case Managerin wurde Regula K. auf FRAGILE Suisse aufmerksam gemacht. „Vor allem die Selbsthilfegruppen waren sehr wertvoll.“ Es habe ihr geholfen, unter Gleichgesinnten zu sein und sich mit ihnen auszutauschen. Zu sehen, dass andere trotz härterem Schicksal den Weg zurück ins Leben gefunden haben, motiviert sie. „Egal, was passiert, es lohnt sich, zu kämpfen.“ Ab und zu holt sie sich einen Rat oder Hilfe bei der Fragile-Helpline. Vom grossen Fachwissen und der Erfahrung der Beraterinnen könne sie profitieren. Aber grösstenteils meistert sie ihr Leben alleine. Wenn etwas nicht geht, versucht sie, dafür eine Lösung zu finden. „Meine Beeinträchtigungen machen mich erfinderisch“, sagt sie und lacht. Ein grosses Ziel hat Regula K. noch. Sobald es ihr körperlich bessergeht, will sie ihr Psychologie-Studium abschliessen.